Aus Gießener Allgemeine vom 12.10.2007

Vom Aufstieg und Fall der Ritter von Hattenrod

Reiskirchen (la). Es waren interessante Erkenntnisse, die die zahlreichen Besucher, darunter auch viele aus Hattenrod, im Rahmen eines Vortragsabends der
Heimatgeschichtlichen Vereinigung Reiskirchen im evangelischen Gemeindesaal in Reiskirchen von Prof. Dr. Hans-H. Kaminsky über »Hattenrod und seine Ritter im 13. Jahrhundert« erfuhren. Schon allein die Bedeutung der Ritter von Hattenrod war in diesem Ausmaß, wie es der Historiker darstellte, nicht bekannt. Ausgangspunkt seiner Ausführungen war die erste urkundliche Erwähnung des Ortes Hattenrod vom 9. Marz 1226.

 

Der Vorhang hebt sich auf dem Friedhof der Reichsstadt Wetzlar, wo sich 30 Personen zum Rechtsgeschäft zusammenfanden. Unter den 21 Niederadligen der Zeugenliste wurden Siegfried und Dimar van Hattenrod genannt und somit die Ersterwähnung des Dorfes dokumentiert. Beide gehörten zu einer Vierergruppe zwischen Kalsmunt und Münzenberg. Demnach befanden sich die Ritter van Hattenrod, möglicherweise ein Zweig der Busecker, 1226 in der Gefolgschaft der Herren van Burg Gleiberg. Zugleich gibt es eine Beziehung zu den Rittern von Linden. Dimar verschwand nach 1226 wieder im Dunkeln, während Siegfried 1237/39 in vier Urkunden wieder in Erscheinung tritt. 1238 benennt der Ritter von Burkhardsfelden, ein Busecker, als Schiedsleute Siegfried von Hattenrod, Helfrich von Trohe und Dammo von Buseck. Dadurch sei auch die Arbeitshypothese, wonach die Hattenroder Ritter ein Ableger der Busecker gewesen seien,
untermauert.

Es scheint möglich, dass Macharius III. von Linden und Siegfried van Hattenrod Burgmannen in Gießen
gewesen sind. Siegfried van Hattenrod hat im Spiegel seiner Aufgaben und im »ranking« der Zeugenlisten erheblich an politischem Gewicht gewonnen.
Er konnte deutlich den Buseckern zugeordnet werden und stand weiter hin in Beziehungen zu den Rittern von Linden und zu den Edlen van Merenberg in Wetzlar/ Gleiberg. Neu ist dabei seine Annäherung an das tübingische Gießen.

Siegfried ist dann wieder 1245/48 in fünf Urkunden belegt, zwei beziehen sich auf Gießen und drei auf Wetzlar, sodass der Ritter van Hattenrod über zwei politische Standbeine verfugte, nämlich eines bei den Merenbergern mit Wetzlar und Gleiberg so­ wie ein weiteres bei den Tübingern in Gießen.
Im Jahre 1245 bezeichnet sich Siegfried und sein Sohn Werner als »von Gießen«. Daraus lasse sich schließen, dass der Hattenroder wahrscheinlich in Gießen ein tübingisches Burglehen inne- und auch dort seinen Sitz genommen hatte. An der Spitze der Zeugen bei der Ersterwähnung Gießens als Stadt im Mai 1248 stehen Siegfried van Hattenrod und dessen Sohn Werner.
In der Literatur gebe es immer wieder Hinweise, wonach Siegfried von Hattenrod Burgmann auf der Reichsburg Kalsmunt gewesen sei.

Siegfried müsse nach 1248 gestorben sein.
Werner van Hattenrode, 1245 und 1248 mit seinem Vater in Gießen auftretend, ist von 1255 bis 1265 in neun Dokumenten als Zeuge belegt. Klar nachweisbar sei, dass er mit Zustimmung des Tübinger Stadt- und Burgherren vom Vater den Burgmannensitz bin Gießen übernommen habe. Zwei Dokumente aus dem Jahr 1260 zeigten, dass Werner van Hattenrod und Adolf van Heuchelheim Reichsburgmannen auf Kalsmunt waren. Die letzten drei Urkunden mit Ritter Werner van Hattenrod als Zeugen (1263/65) zeigten diesen als Gefolgsmann des Tübingers in Gießen. Die Phase des Übergangs endete 1265 mit dem Verkauf Gießens durch die Tübinger an den Land­ grafen Heinrich I.
Die Ritter van Hattenrod hätten demnach in zwei Generationen in der Position Wetzlar - Gießen eine bedeutende Rolle gespielt, ganz in Augenhöhe mit
Männern wie Adolf von Heuchelheim und. Macharius van Linden. Das letzte Lebenszeichen Werners datiere aus dem Marz 1265.

 

Nach 1276 totaler sozialer Absturz

Nach einer Pause von elf Jahren erfahre man wieder von der Ritterfamilie im Jahre 1276, jedoch verbunden mit totalem sozialen Absturz. Siegfried II, Werners Sohn, habe die Burglehen in Gießen und Kalsmunt nicht mehr im Besitz. Er habe sogar offenbar den Status eines Ritters verloren. Die Hintergründe für den Abstieg der Hattenroder Ritter seien unbekannt. Man könne nur rätseln, ob sie nach 1265 politisch auf das falsche Pferd gesetzt hätten im Konflikt zwischen dem Landgrafen und dem Erzbischof in Mainz oder ob es ein Zerwürfnis mit dem Edlen Hartrad V von Merenberg gegeben habe.
Der Ausverkauf der Familiengüter trage dramatische Akzente, so der Verkauf des vom Vater ererbten Hofes in Großen­ Linden an den Wetzlarer Vogt und Schöffen Konrad Reye, einen Bürger mit Geld. Am Ende seines Lebens habe Siegfried II. wohl an das »Eingemachte« gehen und sich vom Stammbesitz der Familie trennen müssen, weil er keine Lehen mehr besessen habe. Diese Fakten spiegelten exemplarisch das Absinken einer niederadligen Ritterfamilie wider. Der Aufstieg und Fall der Ritter van Hattenrod habe immer in den Händen Mächtiger gelegen und sei nicht frei van dramatischen Akzenten gewesen.  (Foto: la)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Professor Hans Heinrich Kaminsky (1938-2018)